Die Herausforderungen liegen auf der Hand und sind sehr komplex: Globalisierung, Arbeitswelt 4.0, Digitalisierung, demografischer Wandel, zunehmende Armutsgefährdung und Altersarmut. Für Rheinland-Pfalz ist es vor diesem Hintergrund wichtig, eigene Antworten auf diese Fragen zu entwickeln, um den Wirtschaftsstandort zu sichern und auszubauen.
Der Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz hat am Samstag sein „3. LFR-Bistro – Teilzeit, Wiedereinstieg – Chancen für Unternehmen und Verwaltungen“ im World Café Format in der Agentur für Arbeit in Mainz durchgeführt.
Unsere Gesellschaft braucht Kinder und Beschäftigte. Für diese ist deshalb die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unverzichtbar sowie Voraussetzung für Lebensqualität und unsere Zukunft. Das gilt für Mütter und Väter gleichermaßen. Sind die Kindererziehung und Pflege von Verwandten nicht mit dem Job vereinbar, verzichten viele Familien auf Kinder oder Frauen fehlen als Arbeitnehmerinnen und Selbständige. Das schwächt den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz erheblich. Wie kann man das verhindern? Familien müssen sich organisieren. Sie müssen ihre Lebensentwürfe definieren und Forderungen formulieren, denn eines ist klar: die digitale Arbeitswelt wird die Arbeitsbedingungen stark verändern. Unternehmen müssen eine Unternehmenskultur mit adäquaten Arbeitsmodellen und Kinderbetreuung schaffen. Die Politik muss die Fehlanreize durch das Steuersystem eliminieren sowie Kinderbetreuung – über die Grundschule hinaus – ausbauen. Vereinbarkeitsförderliche Arbeitszeit braucht einen gesetzlichen Rahmen.
Mütter arbeiten in der Regel in Teilzeit und der Anteil steigt. Dadurch erleiden sie Karriereverluste und verdienen deutlich weniger für die gleichen Aufgaben – und das schon nach einem Jahr Familienzeit. Frauen brauchen Einkommen, mit dem sie ihr Rentenalter selbst finanzieren können damit aus einer Chance keine Teilzeitfalle wird. Frauen wollen auch mit Kindern Karriere machen können. Deshalb ist es wichtig, dass Frauen selbst ein gutes Eigen- und Familienmanagement organisieren und sich auch während ihrer Familienzeiten arbeitsfähig halten. Die Unternehmen müssen im Prozessmanagement den Wiedereinstieg, Teilzeitarbeitsplätze sowie Führungsverantwortung in Teilzeit als Selbstverständlichkeit etablieren. Andere europäische Länder wie Island, Malta, Luxemburg, Schweiz und Schweden machen es uns vor. Hier liegt der Anteil bei den Führungskräften bei 15 – 22% bei einer Arbeitszeit bis zu 30 Wochenstunden. Die Politik muss Voraussetzungen für die gleiche Entlohnung sowie das Recht auf eine befristete Teilzeit für Familienarbeit und ein Rückkehrrecht auf die frühere Arbeitszeit zu gleichen Konditionen schaffen. Das Pflegezeit- und Familienpflegegesetz sollten zusammen geführt werden.
Die Tarifparteien sind gefordert, mit den Bedingungen für die Arbeitszeit wie Regelungen für die Arbeit auf Abruf, Verfall von Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und Erreichbarkeit, die Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie aktiv zu fördern. Unternehmen können von den Entwicklungen profitieren. Wir haben in Deutschland so viele gut ausgebildete Frauen wie nie zuvor. Voraussetzungen ist, dass die Unternehmen von überholten Denkmustern Abstand nehmen. Teilzeitbeschäftigung und flexible Arbeitszeiten und Home-Office gehören zu den organisatorischen Herausforderungen, die attraktive Arbeitgeber zu bewältigen haben. Die Ziele aller betroffenen Mitarbeiter und des Unternehmens miteinander in Einklang zu bringen erfordert dabei ein hohes Maß an Achtsamkeit und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten. Ist eine Selbständigkeit in Teilzeit einfacher? Nein, der organisatorische Aufwand bleibt. Aus Sicht der Frauen ist die Selbständigkeit attraktiv, da sie hier auch mit weniger Stunden ihren Beruf ausüben können und die Kinderbetreuung selbst besser organisieren können. Die Konsequenzen der Teilzeitgründung – über 2/ 3 der Gründungen in 2013 – sind jedoch belastend: für die Frauen heißt das i.d.R. Kreditablehnungen, kaum Wachstumspotenziale, seltener MitarbeiterInnen, geringes Einkommen und das Risiko der Altersarmut. Für die Gesellschaft fehlen mehr als 3 Mrd. € Sozialbeiträge, weil inzwischen fast 30 Prozent der Selbständigen scheinselbständig sind. Wir brauchen von der Politik ein klares Bekenntnis zur Förderung der Selbständigkeit. Die Fördermaßnahmen müssen stärker auf Frauen fokussiert werden.
Mainz, den 9.04.2016 Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz
Impressionen des 3. LFR Bistros
Pressemitteilung zum 3. LFR Bistro
Flexible Arbeitsmodelle schaffen
In Zeiten steigenden Fachkräftebedarfs rücken Frauen zunehmend in den Fokus von Arbeitgebern. Dabei werden Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie mehr und mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.
Wie stehen die Chancen für Frauen, nach der Kinderbetreuung wieder in den Job einzusteigen? Welche Möglichkeiten bieten Minijobs und wie kann man der zunehmenden Altersarmut von Frauen vorbeugen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich am heutigen Samstagmorgen der Landesfrauenrat in der Mainzer Arbeitsagentur mit einer Diskussion und anschließenden Workshops.
Altersarmut ist weiblich
Mit diesem Satz begann Claudia Rankers, Vorsitzende des Landesfrauenrats Rheinland-Pfalz, das Gespräch. Noch immer sorge die Erwerbsbiographie vieler Frauen dafür, dass sie im Alter nicht ausreichend abgesichert seien. Dabei spiele die Berufswahl, bei der viele Mädchen noch immer zu den traditionellen, oft schlecht bezahlten „Frauenberufen“ tendierten, eine wichtige Rolle. . Im Vergleich zu Männern, seien Frauen seien häufiger unsicher, ob ihre Qualifikation für eine Position ausreiche und fürchteten sich davor, Fehler zu machen.
„Diese Strukturen müssen schon früh aufgebrochen werden“, ergänzte Sabine Birk, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Ein weiterer Aspekt sei die Lohnungleichheit. Derzeit verdienten Frauen 22 Prozent weniger als Männer, was auf die Lebenszeit hochgerechnet zu einer Rentenlücke von 60 Prozent führe. Zudem läge der Schwerpunkt von Frauen noch immer auf der Arbeit innerhalb der Familie. Aufgrund des demographischen Wandels sorge neben der Kindererziehung auch zunehmend die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger dafür, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder ganz beenden. Rankers forderte die Frauen auf, ihre Ziele zu definieren, sich innerhalb der Familie zu positionieren und mehr zu fordern. Dabei sehe sie vor allem Politik und Unternehmen in der Verantwortung, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, um Frauen vor Altersarmut zu schützen.
Minijob – Chance oder Falle?
Laut der Bundesagentur für Arbeit übten im vergangenen Jahr 61 706 Menschen in Mainz einen sogenannten Minijob aus. Für 40 479 Erwerbstätige, darunter 25 981 Frauen, sei das die einzige Einnahmequelle. Personen, die anderweitig abgesichert sind, wie beispielsweise Studenten oder Rentner, biete der Minijob eine Möglichkeit zum Nebenverdienst. Für Fachkräfte könne er dagegen häufig zur beruflichen Einbahnstraße werden, da ihnen laut der Wippermann-Studie aus dem Jahr 2012, bereits nach kurzer Zeit im Minijob eine Dequalifizierung drohe.
Dieselbe Studie wies nach, dass die Mehrheit der Frauen, die in einem Minijob arbeiten, statt in sozialversicherungspflichtige Arbeit in die Nichterwerbstätigkeit übergeht. Die geringe Bezahlung mache es zudem schwierig, sich privat abzusichern, sodass Versorgungsprobleme im Alter drohen. Dass die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Stellen auch für Arbeitgeber attraktiv sei, zeigte eine Beispielrechnung, die die Kosten zweier Minijobstellen, mit denen einer Teilzeitstelle verglich, bei der letzte günstiger ausfielen.
Teilzeit in allen Positionen
Arbeitgeber müssen sich auf ein Mehr an Flexibilität einlassen – Strack
Eine Möglichkeit, Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, sieht Heike Strack, Chefin der Mainzer Arbeitsagentur, in Teilzeitarbeit. Von den Unternehmen wünscht sie sich verstärkt Arbeitsmodelle wie Home Office, Teilzeitbeschäftigung und flexiblere Arbeitszeiten. „Wenn Arbeitgeber sich auf ein Mehr an Flexibilität einlassen, profitieren sie in der Regel nicht nur dadurch, dass sich mehr gut ausgebildete Frauen für einen Job in ihrem Unternehmen interessieren, sie gewinnen auch motivierte und loyale Mitarbeiterinnen.“ Auch Selbständigkeit oder Geschäftsgründungen seien in Teilzeit möglich.
Den Wiedereinstieg erleichtern
„Der derzeitige Arbeitsmarkt bietet grundsätzlich gute Chancen, für ausgebildete Frauen, die nach der Familienphase in den Beruf zurückkehren wollen“, so Claudia Wellisch, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Allerdings sei dafür Unterstützung nötig. Strack forderte von der Politik den Ausbau von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Gerade an Wochenenden, während der Ferien oder im Krankheitsfall des Kindes, seien die vorhandenen Möglichkeiten noch unzureichend.
Den Umstand, dass viel in die Ausbildung junger Frauen investiert würde, diese dann aber aufgrund fehlender Betreuungsplätze dennoch zuhause blieben, bezeichnete sie als “volkswirschaftliche Schande.“ Zwar begrüßte sie die zunehmende Bereitschaft der Männer, sich an Zwar begrüßte sie die zunehmende Bereitschaft der Männer, sich an der Erziehung zu beteiligen und die Elternzeit zu nutzen, allerdings griffen diese Maßnahmen noch zu kurz.
Die stille Reserve gewinnen
Auch mit 55 kann man noch eine Ausbildung machen – Strack
Strack möchte aber nicht nur junge, hochqualifizierte Frauen ansprechen. „Auch mit 55 kann man noch eine Ausbildung machen.“ Es gebe vielfältige Angebote, von offenen Veranstaltungen, über Gespräche bis zum persönlichen Coaching, um Frauen die Möglichkeiten von Aus- oder Weiterbildung auch in Teilzeit zu ermöglichen. Damit möchte die Chefin der Arbeitsagentur vor allem diejenigen mobilisieren, die bisher keine oder negative Erfahrungen mit der Agentur für Arbeit gemacht haben.
Die Wanderausstellung „Warum Minijob? Mach mehr draus!“ ist noch bis zum 26. April in der Agentur für Arbeit zu besichtigen.
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