Unsere Gesellschaft überaltert. Diese Aussage begegnet uns in vielen Medien. Was heißt das?
Wir können zwei sich verstärkende Trends beobachten: zum einen werden die Menschen immer älter, zum anderen nimmt die Bevölkerung ab.
Während die Männer in 1990 eine Lebenserwartung von 72 Jahren hatten, betrug sie 2012 78 Jahre. Bei den Frauen hat sich in der gleichen Zeit ein Anstieg von 78 Jahren auf 83 Jahren ergeben. Dadurch werden die Rentensysteme länger beansprucht. Der medizinische Fortschritt führt zu stärkeren Belastungen der Gesundheitssysteme. Entsprechend werden die Pflegekosten steigen. Hier muss dringend ein Konzept erarbeitet werden, wie die Pflege gewährleistet werden kann. Frauen können sich die familienbedingten Fehlzeiten nicht länger leisten. Vielen droht schon jetzt durch Kinder- und Pflegezeiten in der Familie Altersarmut.
In Deutschland werden weniger Kinder geboren als Menschen sterben. Hält der Trend an, stehen dem Arbeitsprozess sukzessive weniger Mitarbeiter zur Verfügung. Schon jetzt wird überall über das Thema Fachkräftemangel gesprochen. Das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern verschlechtert sich weiter, wodurch nicht nur die Rentensysteme länger sondern auch stärker belastet werden. Weniger Produktion führt zu einem sinkenden Bruttoinlandsprodukt und Wohlstand.
Was können wir tun?
Wir müssen mehr Frauen in die bezahlte Arbeitswelt bringen
Dafür brauchen wir eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, partnerschaftliche Entscheidungen über die Aufteilung der Elternzeit sowie adäquate Kinderbetreuung. Frauen brauchen die Unterstützung von ihren Arbeitgebern, die gleichen Karrieremöglichkeiten und mehr Frauen in Führungspositionen. Mit Überschreiten der kritischen Masse wird sich die Unternehmenskultur positiv verändern. Dass dies sogar Vorteile für Unternehmen bringt, zeigt u.a. eine Studie von Ernst & Young. Sie belegt, dass Unternehmen, die Frauen in der Zeit von 2005 bis 2010 in den Führungsetagen hatten, erfolgreicher waren als die anderen Unternehmen. Für einen höheren Frauenanteil spricht auch die Analyse des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), nach der ein hoher Frauenanteil motivierte, leistungs- und aufstiegsorientierte Mitarbeiterinnen anzieht.
Wir müssen die Bildung noch verbessern – für Migranten und Jugendliche –und sie im Berufsprozess integrieren
Viele unserer Jugendlichen haben wenig Unterstützung in ihren Familien. Das Lernen und die Karriereentwicklung hat dort kaum eine Bedeutung. Hier müssen wir sensibilisieren und unterstützen.
Nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund gibt es einen hohen Wirkungszusammenhang zwischen fehlenden Sprachkenntnissen und Einkommens- bzw. Bildungsarmut. Sie kommen oft gar nicht in den Arbeitsprozess. Da die Einkommens- bzw. Bildungsarmut mittlerweile als vererblich gilt, müssen wir dringend für gute Sprachkenntnisse bei allen Kindern (und Eltern) sorgen. Dann können sich alle Jugendlichen entsprechend qualifizieren und haben eine Chance auf einen Platz in der Arbeitswelt. Inklusion muss auf die Bedürfnisse der Betroffenen optimal, qualitativ und quantitativ zugeschnitten sein. Bestehende Programme und Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit in zu überprüfen.
Wir müssen ältere Arbeitnehmer länger im Berufsprozess halten
Das geht nur, wenn die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass sie ihre Aufgaben länger wahrnehmen können und auch wollen. Hier spielen eine Menge Faktoren hinein. Auf keinen Fall würde uns hier die weitere Absenkung des Rentenalters helfen. Die Zukunft muss ein flexibles Arbeits- und Rentensystem/ Versorgungssystem sein. Wir müssen den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz attraktiv, zukunftsoffen und innovativ machen. Rheinland-Pfalz muss sowohl als Wohn-und Lebensraum als auch für die Arbeitswelt interessant sein. Das schafft soziale Stabilität.
Wir müssen sofort Lösungen für die Hebammen finden
Unsere Gesellschaft braucht und fordert dringend Kinder. Umso wichtiger ist es, dass Eltern die Sicherheit haben, dass ihre Kinder einen sicheren Start ins Leben haben. Seit Jahren sind die Probleme der Hebammen bekannt: zu hohe Prämien für die Berufshaftpflicht, zu hohe Schadenssummen, Auslauf der Versicherungsverträge für die Geburtsbegleitung im Juli 2015 und 2016 und zu niedrige Vergütungen. Seit Jahren haben die beteiligten Akteure, die Hebammen, die Krankenkassen, die Versicherungsgesellschaften sowie die Politik kein schlüssiges und nachhaltiges Konzept erarbeitet. Der LFR hat im Oktober 2014 eine Podiumsdiskussion durchgeführt und anschließend die Landes- und Bundespolitik aufgefordert, hier dringend unterstützend einzugreifen.
Wir müssen die medizinische Versorgung sichern
Es müssen Maßnahmen gegen den Mangel an Hausärztinnen und -ärzten , der sich besonders im ländlichen Raum entwickelt, getroffen werden. Dazu gehören mehr Studienplätze für Allgemeinmedizin und eine Veränderung der Zugangsbedingungen zum Studium.
Wir müssen Konzepte entwickeln, die ein selbständiges Leben im Alter unterstützen
Dazu zählen u.a. neue Wohnformen, die sich in Ansätzen bereits ausbilden – wie z.B. Mehrgenerationenhäuser. Sie sollten stärker und systematischer gefördert werden, da sie eine Möglichkeit für längere Selbständigkeit im Alter darstellen. Sie bieten eine Alternative zur nicht mehr existierenden Großfamilien und schwieriger werdender Fürsorge durch die Familie.
Wir müssen unseren zukünftigen Generationen finanzielle Spielräume erhalten
Wir dürfen unsere nachfolgenden Generationen nicht mit finanziellen Verpflichtungen belasten, d.h. wir dürfen heute keine Ausgaben auf Kreditbasis vornehmen, deren Tilgung dann erst in den nächsten 20 bis 40 Jahren erfolgt. Die Kapitaldienst wird natürlich bei kleinerem BIP immer schwerer leistbar. Für innovative Programme, die die Probleme und Anforderungen der zukünftigen Generationen lösen, müssen finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Schon heute sind die Haushalte auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene so festgefahren, dass kaum disponible Mittel für Veränderungen zur Verfügung stehen.
Der Landesfrauenrat Rheinland-Pfalz e.V. (LFR) ist das Sprachrohr der Frauen in Rheinland-Pfalz. Er ist der Dachverband für Vereine und Verbände, die sich zur Aufgabe gestellt haben, Frauen zu unterstützen. Gemeinsames Ziel ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Viele der vorgenannten Lösungsansätze werden von unseren Mitgliedern gefordert und unterstützt. Der LFR agiert dabei unabhängig, überparteilich und unkonfessionell. Zusammen mit seinen Mitgliedern erreicht er 140.000 Frauen im Bundesland. Um die gemeinsamen Ziele voranzubringen, vernetzt er sich mit den 15 Landesfrauenräten in den anderen Bundesländern und erreicht so über 14 Mio. Frauen in Deutschland.
Claudia Rankers, Vorsitzende
Pressemitteilung 06.11.2014